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Daphne und Damon



Daphne und Damon


Inventar Nr.: M 1992/8
Bezeichnung: Daphne und Damon
Künstler: Johann August d. J. Nahl (1752 - 1825), Maler/in
Datierung: um 1783/1784
Geogr. Bezug: Rom
Material / Technik: Leinwand, doubliert
Maße: 59,8 x 46,4 cm (ovaler Spiegel) (Bildmaß)
Provenienz:

erworben 1992 von Ingeborg Wolfskehl, geb. Stefanicz, Kassel

Frau Stefanicz, geb. Krug

1938 Herr Krug vom Kunsthändler Kröning, Bad Wildungen


Katalogtext:
Die Szene mit den beiden als Hirten gekennzeichneten Personen gehört zu einem vierteiligen Gemäldezyklus nach Salomon Gessners »Idyllen«. Der Sohn des Malers Wilhelm Nahl hat den Zyklus in seiner »Biographischen Skizze zu Johann August Nahl d. J.« angeführt: »Phillis und Daphne, 4 Ovalgemälde und Sujets aus Gessners Idyllen in den Jahren 1783 und 84. Davon 2 Bilder Volpato in Kupfer gestochen hat [...]« (Nahl 1849, [S. 3], VIII-XI). Ein zweites Gemälde des Zyklus, »Phillis und Damon« (M 1992/7), befindet sich ebenfalls im Besitz der Staatlichen Museen Kassel, der Verbleib der beiden anderen ist nicht bekannt.
Wie in Gessners bukolischer Dichtung, in der von kühlen Bächen, dunklen Wäldern, schilfbewachsenen Ufern, dichten Hainen und abgeschiedenen Grotten die Rede ist, hat sich die Nymphe Daphne an einem Bach im Schatten hoher Bäume niedergelassen. Neben ihr liegen zwei gewundene Blumenketten und der Hirtenstab. Mit wehendem Haar und in Begleitung eines Hundes kommt ein Hirte energischen Schrittes herbeigeeilt. Es dürfte Damon sein. In der rechten Hand hält er den Hirtenstab, die linke hat er zum Gruß erhoben. Die ausgreifenden Gesten beider Personen, deren Körpersprache gänzlich gegensätzlich charakterisiert ist, beherrschen die in tonigen Farben differenziert ausgearbeitete Szene. Die mächtigen Laubbäume, die Daphne hinterfangen und ihre ruhende Position unterstreichen, kontrastieren mit der weitläufigen Hügellandschaft, die sich zur Rechten von Damon erstreckt, mit Felsen und einem Gewässer, an dessen Ufer ein Ruderboot liegt. Daphne ist durch die warmen Orangeockertöne von Inkarnat und Kleidung stärker als Damon in die von Grünbrauntönen beherrschte Landschaft eingebunden. Durch das Licht, das auf ihn fällt, wird sein Körper und das blassgelbe Gewand mit dem orangefarbenen Mantel deutlich von den dunklen Baumstämmen des Hintergrundes abgesetzt.
Die Bildform des Ovals, die dem Gegenstand etwas Schwereloses verleiht, passt zur idyllischen Szenerie. Gessners 1756 anonym erschienene »Idyllen«, eine Sammlung von kurzen, handlungsarmen Prosastücken bukolischen Charakters, verkörperten mit ihren sentimentalen Figuren in unberührter Natur eine Gegenwelt zur Wirklichkeit, eine Idylle antikischen Charakters. Auch Angelika Kauffmann hat sich mit Gessners pastoraler Dichtung befasst. Nicht allein das ovale Format, vor allem die Anordnung der Personen vor der Baumgruppe weist eine gewisse Nähe zu den Gemälden von Kauffmann und Giovanni Battista Cipriani auf. Inwieweit diese Nahls Malstil beeinflusst haben, ist nicht bekannt. Kurz vor der Entstehung des Gemäldes, im Frühjahr 1782, hatte sich Nahl in London aufgehalten und dort Bekanntschaft mit Reynolds, West, Loutherbourg und Cipriani gemacht, wie er in seiner »Biographischen Skizze« schreibt (Nahl d. J. nach 1815, S. 6f.). Giovanni Volpato, der zwei Szenen des Zyklus gestochen haben soll, gehörte zum engsten Freundeskreis der Angelika Kauffmann.
Nahls Kenntnis antiker Bildvorlagen ist offensichtlich. Möglicherweise war ihm die zwölfteilige handkolorierte Kupferstichfolge von Angelo Campanella bekannt, die dieser 1779 nach Zeichnungen von Mengs anfertigte. Diese Nachzeichnungen von Fresken eines römischen Hauses auf dem Gebiet der Villa Peretti-Negroni in Rom zeigen ähnliche Motive und Figuren.
Bei Damons Pose dürfte sich Nahl an der antiken Marmorstatue des so genannten Borghesischen Fechters aus dem Pariser Louvre orientiert haben. Eine um 1767 gefertigte, heute zerstörte Nachbildung des Borghesischen Fechters von Nahls Vater Johann August d. Ä. stand an der Treppe auf der Gartenseite der Kasseler Orangerie. Das Zitieren antiker Statuen oder Aufgreifen bestimmter Posen lässt sich auch in anderen Gemälden Nahls beobachten (vgl. AZ 288) und gibt Zeugnis von seiner intensiven Auseinandersetzung mit Werken der Antike. Nach seinen eigenen Worten hatte der Maler sich zu Beginn seines ersten Romaufenthaltes ab 1774 an der französischen Akademie in Rom »zwei Jahre lang bloß mit Zeichnen nach guten Abgüssen« beschäftigt (Justi 1796, S. 301).
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Nagler, Georg Kaspar: Neues allgemeines Künstler-Lexicon. München 1835ff, S. 106 (Bd. 10, 1841).
  • Holtmeyer, Alois: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Kassel 1923, S. 309.
  • Dreiheller, Fritz: Zeichnungen etc. Bestand Städtische Kunstsammlungen. Darmstadt 1969, S. 5.
  • Fuchs, Werner: Die Skulptur der Griechen. München 1969.
  • Sabine Fett, Michael Kalusok [Bearb.] und Ulrich Schmidt [Hrsg.]: Die Künstlerfamilie Nahl, Rokoko und Klassizismus in Kassel. Kassel 1995, S. 69 (1994), Kat.Nr. 74.
  • Röttgen, Steffi [Hrsg.]; Zabarella, Plazzo [Hrsg.]: Mengs. Die ERfindung des Klassizismus. München 2001, S. 248, Kat.Nr. 80a-c.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 124-125, Kat.Nr. 102.


Letzte Aktualisierung: 21.04.2020



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