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Selbstbildnis vor Staffelei



Selbstbildnis vor Staffelei


Inventar Nr.: 1875/1325
Bezeichnung: Selbstbildnis vor Staffelei
Künstler: Johann Anton Tischbein (1720 - 1784), Künstler
Dargestellt: Johann Anton Tischbein (1720 - 1784)
Datierung: um 1760
Geogr. Bezug: Hamburg
Material / Technik: Leinwand, doubliert
Maße: 117 x 96 cm (Bildmaß)
117,5 x 96 x 7 cm (Objektmaß)
Provenienz:

erworben 1935 von Ludwig Steinhauser, München

Beschriftungen: Signatur: bez. r. (auf der Zeichenmappe): A. Tischbein pinx;


Katalogtext:
Mit einem grünen, in sich gemusterten Rock und einer dunkelroten Samtkappe bekleidet, sitzt der Maler an einem Tisch, auf dem er seine Malutensilien angeordnet hat. Pinsel und Palette mit einzelnen Farbtupfern sind zu seiner Linken drapiert, in der einen Hand hält er eine bläulichgraue Zeichenmappe, in der anderen einen Halter mit zwei Kreiden, als wollte er gerade zum nächsten Strich ansetzen. Die Inszenierung des Künstlers mit seinen Gerätschaften ist in diesem Selbstbildnis besonders offensichtlich. Tischbein porträtierte sich nicht bei der Arbeit, sondern in jener signifikanten Pose, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ein »geradezu ›kanonischer‹ Typus des Künstlerporträts« war (Raupp, in: AK Braunschweig 1980, S. 17). Sein konzentrierter Blick mit den leicht zusammengezogenen Augenbrauen ist aus dem Bild auf den Betrachter gerichtet, ganz so, als wäre dieser sein Modell. Zu seiner Rechten steht die Staffelei mit dem angefangenen, lebensgroßen Bildnis einer Frau mittleren Alters, das wahrscheinlich die Ehefrau des Künstlers darstellt. Dies legt nicht zuletzt Tischbeins rund zwanzig Jahre später entstandenes Gemälde nahe, in dem er sich im Kreis seiner Familie, mit Frau und Kindern, wiedergegeben hat (Hamburg, Museum für Hamburgische Geschichte).
Mit dem Bildnis auf der Staffelei präsentiert sich Tischbein als Porträtmaler. Darüber hinaus knüpft er an jene Darstellungen an, die der Frau die Rolle der künstlerischen Muse zuweisen. Dieses Motiv, das sich bis in die antike Mythologie zu Apelles und Campaspe zurückverfolgen lässt und in vielfältigen künstlerischen Umsetzungen bekannt ist, war in Künstlerporträts des 18. Jahrhunderts ein besonders beliebtes Sujet. Justus Juncker, Johann Peter Haborg oder Philipp Wilhelm Oeding (1697 - 1781), um nur einige zu nennen, haben in ihren Selbstbildnissen, die zwischen 1730 und 1750 entstanden sind, ebenfalls das Porträt ihrer Frau auf einer Staffelei im Hintergrund dargestellt.
In Tischbeins Bildnis wirkt die Frau in ihrer Körperlichkeit auffallend präsent. Das Gesicht und ein über die Schulter gelegtes rotes Tuch sind bereits recht weit ausgearbeitet und so plastisch modelliert, dass die beiden Darstellungsebenen verschwimmen und die gemalte Frau auf der Staffelei gleichsam in die Wirklichkeit des Malers tritt. Allein der grob grundierte Oberkörper mit dem noch fehlenden Inkarnat und dem nur angedeuteten altrosafarbenen Kleid weist darauf hin, dass es sich um ein Bildnis im Bildnis handelt.
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Thieme, U. [Hrsg.]; Becker, F. [Hrsg.]; Vollmer, H. [Hrsg.]: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 1907-1950, S. 205 (Bd. 33, 1939).
  • Biermann, Georg: Deutsches Barock und Rokoko. Leipzig 1914, S. 230, 234 (Bd. 1), Kat.Nr. Beispiele für Porträttypus.
  • Lepel, Bernhard von: Aus kurhessischen Familien (Ausstellungbereicht). In: Hessenland 48 (1937), S. 316-323, S. 318.
  • Vom Rokoko zur Romantik. Kassel 1946, Kat.Nr. 14.
  • Gaus, Joachim: Ingenium Ars - Das Ehepaarbildnis Lavosier von Davis und die Ikonographie der Museninterpretation. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 36 (1974), S. 199-228, S. 221.
  • Holsten, Sigmar [Bearb.]: Das Bildnis des Künstlers. Selbstdarstellungen. Hamburg 1978, S. 88.
  • Raupp, Hans-Joachim: Selbstbildnisse und Künstlerporträts von Lucas von Leyden bis Anton Raphael Mengs. Braunschweig 1987, S. 7, 22, 70-72, 75, Kat.Nr. 14, 16.
  • Heraeus, Stefanie; Tipton, Susanne: Künstlerbildnisse. Porträts von Tischbein bis Beuys. Malerei, Graphik und Skulptur aus eigenen Beständen. Kassel 1996, S. 30-31, Kat.Nr. 3.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 182, Kat.Nr. 160.
  • Briegleb, Till: Die Kunst kämpft sich frei. Der lange Weg von einem Zeichenkurs zur Kunsthochschule. In: Köttering, Martin [Hrsg.]: Hochschule für bildende Künste Hamburg (2017), S. 83-133.


Letzte Aktualisierung: 20.06.2022



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