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Julius Jürgen von Wittorf



Julius Jürgen von Wittorf


Inventar Nr.: LM 1919/47
Bezeichnung: Julius Jürgen von Wittorf
Künstler: Johann Heinrich d. Ä. Tischbein (1722 - 1789), Maler/in
Dargestellt: Julius Jürgen von Wittorf (1714 - 1802)
Datierung: 1770 - 1776
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Leinwand
Maße: 127 x 95 cm (Bildmaß)
153 x 123 x 7 cm ;9cm incl. ZR u. Aufh. (Objektmaß)
Provenienz:

erworben vor 1920, Herkunft unbekannt

Beschriftungen: Signatur: bez. (unter dem Familienwappen der Wittdorfs; nicht eigenhändig): Julius Jürgen von Wittorf wurde Ritter und Ceremoniemeister des Ordens bey der Stiftung: an. 1770. Cantzler des Ordens am 19.ten Nov. 1775 und Commandeur zu Marburg den 25.t Aug. 1777.


Katalogtext:
Julius Jürgen von Wittorf (1714-1802), der über 70 Jahre lang das Vertrauen der Landgrafen von Hessen-Kassel genoss, ist im repräsentativen Kniestück als Zeremonienmeister des Hessischen Hausordens vom Goldenen Löwen in Szene gesetzt. Im Dreiviertelprofil nach rechts gewandt, steht er in einem Innenraum, vor dessen dunkler Wand sein wallender, rotsamtener Ordensmantel mit breitem weißem Pelzkragen und weißem Futter besonders gut zum Ausdruck kommt. Das Hauptaugenmerk ist auf die Ritterkleidung und die Ordenszeichen gelegt, woraus sich wohl auch das etwas unproportionierte Verhältnis von Kopf und Körper erklärt. Auf dem Mantel und dem blauen Rock sind die Ordenssterne des Hausordens vom Goldenen Löwen angebracht, die den Dargestellten ebenso wie das hellrote Schulterband mit dem Ordenskleinod als hohen Würdenträger des hessen-kasselischen Hofes ausweisen. In der rechten Hand hält Wittorf den Zeremonienstab aus Ebenholz und Elfenbein, der in dieser Form bis 1803 in Gebrauch war. Die linke stützt er auf einen Tisch, auf dem sein Zweispitz und ein roter Samtbeutel liegen.
Landgraf Friedrich II., dessen goldenes Monogramm mit der Landgrafenkrone auf den Samtbeutel gestickt ist, hatte den Hausorden vom Goldenen Löwen am 14. August 1770 gestiftet. Zunächst wurde er an Mitglieder des Hauses und deren Diener, später auch an befreundete Familien verliehen. Wittorf hatte den Orden bei der »ersten Reception« erhalten. Patronin des Ordens war die Familienheilige des katholischen Landgrafen, die heilige Elisabeth, zu deren Namenstag am 19. November alljährlich mit großem Zeremoniell das Ordensfest im Kasseler Stadtschloss stattfand. Friedrich II. ließ dafür zwischen 1770 und 1772 den »Rotensteinsaal« im Fuldaflügel des Schlosses zu einem Ordenssaal umbauen, in dem der Thron des Landgrafen und die Stühle für die Ordensritter standen. Die Ernennung Wittorfs zum Zeremonienmeister und Ritter des Ordens im August 1770 dürfte der Anlass für das Gemälde gewesen sein.
Der aus Celle stammende Wittorf, zunächst Page am Hof in Hannover, diente seit Oktober 1729 den Landgrafen von Hessen-Kassel. Unter Wilhelm VIII. reüssierte er vom Pagen zum Oberstallmeister und Oberkammerherrn. Landgraf Friedrich II. setzte ihn mehrfach als außerordentlichen Gesandten ein, worauf von Wittorf in seinem selbst verfassten Lebenslauf ausführlich eingeht. 1772 wurde er zum Geheimen Staatsminister, zum Leiter der Post, der wohltätigen Anstalten und der Leihbank ernannt. Wesentlich beteiligt war er an der Aussöhnung Landgraf Friedrichs II. mit seinen Söhnen im Jahr 1782. Wilhelm IX. traute Wittorf nicht und setzte ihn 1786 als Oberstallmeister ab (StAM, Best. 340). Als Oberkammerherr organisierte er aber weiterhin Feste der landgräflichen Familie, wofür er 1797 den preußischen Adlerorden erhielt.
Eine schwache Wiederholung des Gemäldes, die wohl trotz Signatur aus der Werkstatt Tischbeins stammt, tauchte 1991 im hessischen Kunsthandel auf.
(S. Heraeus, 2003)
Eine Werkstattwiederholung wurde am 5. Dezember 2019 bei Hampel, München (Lot 726) angeboten (Freundlicher Hinweis von Titus Schenck, 18.01.2020). Sie trägt auf der Rückseite eine lange Beschriftung: "Julius Jürgen von Wittorf / gebohren den 14ten Octobr: 1714 / In die Fürstl: Hessen-Casselischen Dienste getretten 1728 / Ritter und Cantzler des goltenen Loewen / Ortens, wurklicher Minister, Ober Cammerherr / und Ober-Stallmeister 1776 / gemahlt von JH Tischbein ao. 1776 / Nb das Original findet sich / beyder Familie". Demnach ist unser Gemälde ertst 1776 entstanden.
(J. Lange, 2020)


Literatur:
  • Hochfürstlich Hessen-Casseler Staats- und Adress-Kalender. 1771, S. 37.
  • Wittorf, Julius Jürgen von: Kurzgefasste Beschreibung meines Lebenslaufs im Dienste des Fürstlichen Hauses Heßen-Caßel. 1775ff.
  • Engelschall, Josef Friedrich: Johann Heinrich Tischbein d. Ä., ehemaliger Fürstlich-Hessischer Rath und Hofmaler, als Mensch und Künstler dargestellt, nebst einer Vorlesung von Casparson. Nürnberg 1797, S. 126, Kat.Nr. 67.
  • Both, Wolf von; Vogel, Hans: Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel. Ein Fürst der Zopfzeit. o.O. 1973, S. 26, 134.
  • Marianne Heinz [Bearb.]; Erich Herzog [Bearb.+ Hrsg.]: Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722 - 1789), Kassel trifft sich - Kassel erinnert sich in der Stadtsparkasse Kassel. Kassel 1989, S. 191, Kat.Nr. A 6.
  • Flohr, Anna-Charlotte: Johann Heinrich Tischbein d.Ä. (1722-1789) als Porträtmaler mit einem kritischen Werkverzeichnis. München 1997, S. 214, 302, Kat.Nr. G 105.
  • Heppe, Dorothea: Das Landgräfliche Schloss. In: Wunder/Vanja/Wegner 2000 (2000), S. 160-176, S. 173.
  • Stieglitz, Anette von: Karriere im "Ausland". Julius Jürgen von Wittorf als Minister, Oberstallmeister und Oberkammerherr am landgräflichen Hof in Kassel (1729-1802. In: Stand und Repräsentation. Kultur- und Sozialgeschichte des hannoverschen Adels vom 17. bis zum 19. Jahrhundert (2002), S.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 288-289, Kat.Nr. 247.
  • Lange, Justus; Gräf, Holger Th.; Rehm, Stefanie: Patrimonia 391, Johann Heinrich Tischbein d. Ä., Bildnis des Louis Gaucher, Duc de Châtillon, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel. Kassel 2018, S. 55.


Letzte Aktualisierung: 14.08.2023



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