Der Hl. Johannes der Täufer



Der Hl. Johannes der Täufer


Inventar Nr.: GK 476
Bezeichnung: Der Hl. Johannes der Täufer
Künstler: Mateo Cerezo (1637 - 1666), Maler/in
Datierung: um 1665
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Öl
Maße: 176 x 107 cm (Bildmaß)
201 x 138 x 9,5 cm (Rahmenmaß)
Provenienz:

erworben vor 1805

Beschriftungen: Signatur: Matheo zereco f / ano ... (unleserlich)


Katalogtext:
Der aus Burgos stammende Maler Mateo Cerezo siedelte um 1652 nach Madrid über, wo er in die Werkstatt von Juan Carreño de Miranda eintrat. Nach einem Aufenthalt in Valladolid ließ er sich schließlich 1660 endgültig in Madrid nieder und hinterließ trotz seines frühen Todes ein eindrucksvolles Œuvre. Das Kasseler Gemälde mit der lebensgroßen Darstellung des stehenden Heiligen in der Einöde gehört zu seinen letzten Werken. Johannes der Täufer wird im Moment höchster geistiger Anspannung und tiefer Ergriffenheit dargestellt. Seine linke Hand hat er an die Brust gelegt und er blickt erwartungsvoll gen Himmel. Der Körper ist gleichsam von der Empfindung ergriffen und vollzieht einen spannungsvollen Bogen. Das von oben links einfallende Licht – Zeichen der göttlichen Inspiration – scheint den Heiligen regelrecht empor zu reißen. Innerhalb der reichen Darstellungstradition Johannes des Täufers erreicht Cerezo eine seltene Monumentalität. Völlig zu Recht wurde deshalb in der Literatur auf das große Vorbild Tizian verwiesen. Von diesem sind heute zwei Darstellungen des stehenden Heiligen bekannt. Während Cerezo die um 1531-32 entstandene erste Version in der Accademia in Venedig kaum bekannt gewesen sein dürfte, kannte er wahrscheinlich das um 1565-70 entstandene zweite Gemälde für den spanischen König, das heute noch im Escorial aufbewahrt wird. Von diesem Werk übernahm er die Gestaltung des Landschaftshintergrunds mit dem aufragenden Felsmassiv links und dem Blick in eine rau anmutende Gegend rechts. Die Horizontlinie ist bei beiden tief hinab gezogen, so dass die Figur des Täufers monumental aufragt. Im Gegensatz zu Tizian lockerte aber Cerezo die statuarische Strenge der Figur auf. Ebenso verzichtete er auf das Lamm sowie das Schriftband mit der Aufschrift Ecce Agnus Dei, die beiden typischen Attribute des Täufers. Offensichtlich existierte jedoch noch eine weitere Version des Johannes des Täufers von Tizian, die durch eine spanische Kopie des 17. Jahrhunderts überliefert ist. Dort findet sich schließlich eine weitere bemerkenswerte Übereinstimmung mit dem Kasseler Gemälde. Johannes hat seinen rechten Arm in Ergriffenheit auf die Brust gelegt und den Blick nach oben gerichtet. Der Blick nach oben in Richtung des göttlichen Lichtes, wie er auch in der Version im Escorial zu sehen ist, erhält mit dem auf die Brust gelegten Arm eine Intensivierung. Es dürfte also gerade diese Version gewesen sein, die Cerezo inspirierte.

Sein Gemälde stimmt darüber hinaus bemerkenswert mit den Forderungen Francisco Pachecos überein. Dieser hatte in seinem 1649 erschienenen Traktat Arte de la Pintura gefordert, den Heiligen als jungen Mann im Alter von etwa 29-30 Jahren zu malen, bekleidet mit einem knappen Gewand aus Kamelhaar, das seine asketische Lebensführung unterstreichen sollte. Um die asketische Gestalt des Täufers zu nobilitieren empfahl er jedoch die Hinzufügung eines roten Mantels.

Das von Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel erworbene Gemälde gehört zu den Hauptwerken Cerezos. Im Auktionskatalog von 1791 heißt es zu dem Gemälde: „Eine Academische Figur, so einen heil. Johannes stehend in der Wüste vorstellet, ein Gemälde nach Rubens Art gemalt, es wird sehr hoch geachtet, und die Farben sind wohl gemischt, es ist auch von Spanien mitgebracht, wo die Werke diese Meisters sehr rar sind, und man findet sie blos in des Königs Gallerien.“ Der Hinweis auf Rubens mag dabei den Ausschlag gegeben haben, das Werk für die hauptsächlich aus niederländischen und flämischen Gemälden bestehenden Galerie zu erwerben. Den Mittelsmann G. F. von Döring kannte Landgraf Wilhelm IX. offenbar noch aus Hanau, wo er bis 1785, dem Jahr seines Regierungsantritts in Kassel, als Graf von Hanau lebte.
(J. Lange, 2010)


Literatur:
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Versuch eines Verzeichnisses der kurfürstlich hessischen Gemälde-Sammlung. Kassel 1819, S. 79, Kat.Nr. 483.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Verzeichniß der Kurfürstlichen Gemählde-Sammlung. Cassel 1830, S. 93, Kat.Nr. 562.
  • Auszug aus dem Verzeichnisse der Kurfürstlichen Gemälde-Sammlung. Kassel 1845, S. 57, Kat.Nr. 562.
  • Parthey, Gustav: Deutscher Bildersaal. Verzeichnis der in Deutschland vorhandenen Ölbilder verstorbener Maler aller Schulen. Berlin 1863/64, S. 274 (Bd. 1), Kat.Nr. 3.
  • Aubel, L.; Eisenmann, Oscar: Verzeichniß der in der Neuen Gemälde-Galerie zu Cassel befindlichen Bilder. 2. Aufl. Kassel 1878, S. 53, Kat.Nr. 562.
  • Eisenmann, Oscar: Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. Nachtrag von C. A. von Drach. Kassel 1888, S. 281-282, Kat.Nr. 439.
  • Voll, Karl: Die Meisterwerke der königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. München 1904.
  • Thieme, U. [Hrsg.]; Becker, F. [Hrsg.]; Vollmer, H. [Hrsg.]: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 1907-1950, S. 294 (Bd. 6, 1912).
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 12, Kat.Nr. 476.
  • Mayer, August L.: Geschichte der spanischen Malerei. Leipzig 1913, S. 223 (Bd. 2).
  • Loga, Valerian von: Die Malerei von Spanien vom XIV. bis XVIII. Jahrhundert. Berlin 1923, S. 380.
  • Künstle, Karl: Ikonographie der Heiligen. Freiburg im Breisgau 1926, S. 334.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 15, Kat.Nr. 476.
  • Luthmer, Kurt: Staatliche Gemäldegalerie zu Kassel. Kurzes Verzeichnis der Gemälde. 34. Aufl. Kassel 1934, S. 39, Kat.Nr. 476.
  • Voigt, Franz: Die Gemäldegalerie Kassel. Führer durch die Kasseler Galerie. Kassel 1938, S. 80, Kat.Nr. 476.
  • Vogel, Hans; Bode, Arnold; Schuh, Ernst: Gemälde der Kasseler Galerie kehren zurück. Ausstellung Kunsthistorisches Museum Wien 20.12.1955 - 5.2.1956, Hessisches Landesmuseum Kassel 18.3.1956 - 30.9.1956. Kassel 1955, S. 10, Kat.Nr. 4.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 42, Kat.Nr. 476.
  • Iniguez, Diego Angulo [Hrsg.]: Ars Hispaniae. Historia Universal del Arte Hispánica. Madrid 1958, S. 288 (Bd. 15).
  • Gaya Nuno, Juan Antonio: La pintura Espanola fuera de Espana. Madrid 1958, S. 134, Kat.Nr. 589.
  • Kubler, George; Soria, Martin: Art and Architecture in Spain and Portugal and their American Dominions 1500 to 1800. Harmondsworth/Middlesex 1959, S. 287.
  • Lehmann, Jürgen M.: Staatliche Kunstsammlungen. Spanische Bilder in der Kasseler Gemäldegalerie. In: Informationen. Theaterzeitung/Kasseler Kulturkalender (1974), S. 14-15, S. 15.
  • Lehmann, Jürgen M.: Staatliche Kunstsammlungen Kassel. Katalog 1. Italienische, französische und spanische Gemälde des 16.-18. Jahrhunderts. Fridingen 1980, S. 11, 91.
  • Lehmann, Jürgen Michael: Italienische, französische und spanische Meister in der Kasseler Gemäldegalerie. Sonderdruck für die Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Melsungen 1986, S. 51.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 79.
  • Die Landgrafen von Hessen-Kassel als Sammler spanischer Gemälde, in: Greco, Velázquez, Goya. Spanische Malerei aus deutschen Sammlungen. Ausst.-Kat Bucerius Kunst Forum Hamburg u.a., München u.a. 2005. 2005, S. 137-138, Kat.Nr. 58.
  • Lange, Justus: Die Landgrafen von Hessen-Kassel als Sammler spanischer Gemälde, in: Greco, Velázquez, Goya. Spanische Malerei aus deutschen Sammlungen. Ausstellungskatalog Bucerius Kunst Forum Hamburg u.a., München u.a. 2005, S. 206-211, S. 209.
  • Spanish Baroque Paintings. A selection from the Wüllner collection. Vukovar 2016, S. 65, 67.


Letzte Aktualisierung: 08.12.2021



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum