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Büste eines Mannes mit Kappe



Büste eines Mannes mit Kappe


Inventar Nr.: GK 230
Bezeichnung: Büste eines Mannes mit Kappe
Künstler: Jan Lievens (1607 - 1674), Maler/in, Zuschreibung
Dargestellt: unbekannt
Datierung: 17. Jh.
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Eichenholz
Maße: 48 x 36,8 cm (Bildmaß)
87,3 x 77,3 x 11,6 cm (Rahmenmaß)
Provenienz:

erworben 1891 aus der Sammlung E. Habich, Kassel


Katalogtext:
Die Büste eines Mannes mit Kappe kann auf anschauliche Weise zeigen, wie sich unser Bild von Rembrandt und seinem Kreis grundlegend geändert hat. Galt das Werk zum Zeitpunkt des Erwerbs noch als eigenhändiges Gemälde von Rembrandt und der Dargestellte als Vater des Künstlers, so wurden bald erste Zweifel laut. Abraham Bredius bezeichnete es zunächst als Pasticcio aus dem 18. Jahrhundert, später revidierte er seine Meinung. In der Folge fehlte es in keinem Werkverzeichnis Rembrandts bis 1982. In diesem Jahr erschien der erste Band des Rembrandt Research Projects und klassifizierte das Gemälde als Rembrandt-Imitation unbestimmten Alters. Die Identifikation als Rembrandts Vater oder Bruder hatte sich in der Zwischenzeit auch als Phantasieprodukt erwiesen.

Als 1986 ein Gemälde Rembrandts mit demselben Modell und einer authentischen Signatur und Datierung 1631 auftauchte, setzte eine Neubewertung ein. Bernhard Schnackenburg wies es der Werkstatt Rembrandts zu, was auch gut zu der dendrochronologischen Untersuchung der Holztafel passte, die eine Entstehung um 1630 nahe legte. Jüngst konnte er weitere Erkenntnisse zu dem Gemälde zusammentragen, die eine Neubewertung des Werkes erlauben. Vorangegangen war eine grundlegende Neubewertung von Rembrandts Frühstil, und was wichtiger ist, seines Verhältnisses zu Jan Lievens. Galt dieser bis dato als ein Künstler im Schatten des „großen“ Rembrandt, so erkennt man heute an, dass Lievens mindestens als gleichberechtigter Künstler des „jungen edlen Malerduos“ (Constantijn Huygens) zu bezeichnen ist. Im Bereich der Tronien dürfte ihm sogar die führende Rolle zugekommen sein.

Diese Neubewertung führte Schnackenburg jüngst zu der überzeugenden Zuschreibung der „Büste eines Mannes mit Kappe“ an Jan Lievens. Im Vergleich zu Rembrandts Studienköpfen fällt der experimentellere Charakter der Pinselführung auf, der das Gesicht gleich einem Gebirge durchfurcht zeigt. Er lässt sich gut mit anderen gesicherten Werken Lievens’ in Einklang bringen wie der „Lesenden alten Frau“ in Philadelphia, deren malerischer Duktus vergleichbar ist, bestehend „aus kurzen breiten Pinselzügen, die sich in unterschiedlichem Winkel überlagern und durchkreuzen.“ Es ist gerade diese ‚raue Manier’, die der Büste ein plastisches Relief verleiht, in dem sich Licht und Schatten wie ein Muster über das Gesicht ziehen.
(J. Lange, 2011)


Literatur:
  • Lampertz, Heinrich; Heberle, J. M.; Schall, Josef Th.: Katalog der ausgewählten und reichhaltigen Gemälde-Sammlung des Rentners Herrn Edward Habich zu Cassel. Versteigerung zu Cassel den 9. und 10. Mai 1892. Köln 1892, S. 47, Kat.Nr. 122.
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  • Bode, Wilhelm; Hofstede de Groot, C. (mitwirkend): Rembrandt. Beschreibendes Verzeichniss seiner Gemälde mit den Heliographischen Nachbildungen. Geschichte seines Lebens und seiner Kunst. Paris 1897-1901, S. 93-94 (Bd. 1, 1897), Kat.Nr. 31.
  • Moes, E. W.: Iconographia Batavia. Bereden erde List van geschilderte en gebeeld houwede Portretten van Noord-Nederlanders in vorige Eeuwen. 2 Bde. Amsterdam 1897/1905, S. 309, Kat.Nr. 6687.10.
  • Voll, Karl: Die Meisterwerke der königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. München 1904.
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 52, Kat.Nr. 230.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 61, Kat.Nr. 230.
  • Bauch, Kurt: Die Kunst des jungen Rembrandt. Heidelberg 1933, S. 136-137, 203.
  • Luthmer, Kurt: Staatliche Gemäldegalerie zu Kassel. Kurzes Verzeichnis der Gemälde. 34. Aufl. Kassel 1934, S. 22, Kat.Nr. 230.
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  • Bredius, A.: Rembrandt Gemälde. Wien 1935.
  • Voigt, Franz: Die Gemäldegalerie Kassel. Führer durch die Kasseler Galerie. Kassel 1938, S. 18, Kat.Nr. 230.
  • Munoz, Antonio: Rembrandt. Rom 1941, S. XXV, Kat.Nr. 7.
  • Rembrandt und seine Zeit. Zweihundert Gemälde der Blütezeit der holländischen Barockmalerei des 17. Jahrhunderts aus deutschen, holländischen und schweizerischen Museums- und Privatbesitz. Museum zu Allerheiligen. Ausstellung 10.4.1949 - 2.10.1949. Schaffhausen 1949, S. 60, Kat.Nr. 117.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 117, Kat.Nr. 230.
  • Herzog, Erich: Holländische Meister des 17. Jahrhunderts aus den Betänden der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel (Jahresausgabe der Hessischen Brandversicherungsanstalt für 1965). Kassel 1965, S. Vorwort o. S.
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  • Weber, Gregor J. M. u. a.: Rembrandt-Bilder. Die historische Sammlung der Kasseler Gemäldegalerie. Ausstellungskatalog Staatliche Museen Kassel. München 2006, S. 261, Kat.Nr. B 42.
  • Lange, Justus u.a.: Lichtgefüge. Das Licht im Zeitalter von Rembrandt und Vermeer. Petersberg 2011, S. 128, Kat.Nr. 45.
  • Schnackenburg, Bernhard: Aus dem Schatten Rembrandts zu Jan Lievens. Eine Neubewertung der "Büste eines Mannes mit Kappe" in der Kasseler Gemäldegalerie, in: in omni historia curiosus. Studien zur Geschichte von der Antike bis zur Neuzeit. Festschrift für Helmuth Schneider. Wiesbaden 2011, S. 337-345.
  • Schnackenburg, Bernhard: Jan Lievens. Freund und Rivale des jungen Rembrandt. Mit einem kritischen Katalog des Leidener Frühwerks 1623-1632. Petersberg 2016, S. 288, Kat.Nr. 105.
  • Rehm, Stefanie: Tischbein und die Kunst des "Goldenen Zeitlaters". Rezeptionsgeschichte(n) um 1800. Heidelberg 2020, S. 281.


Letzte Aktualisierung: 25.11.2020



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