Schulstube mit Portrait einer Familie



Schulstube mit Portrait einer Familie


Inventar Nr.: GK 1210
Bezeichnung: Schulstube mit Portrait einer Familie
Künstler: Jan Miense Molenaar (1609/1610 - 1668), Maler/in
Dargestellt: unbekannt
Datierung: 1634
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Holz
Maße: 49 x 87 cm (Bildmaß)
Provenienz:

aus Privatbesitz erworben

Beschriftungen: Signatur: JMMOLENAER / 1634


Katalogtext:
Jan Miense Molenaer, ein Haarlemer Zeitgenosse van Ostades und nach der Überlieferung Schüler von Frans Hals, greift hier das vor allem seit Pieter Bruegels Stich "Der Esel in der Schule" beliebte und häufig variierte Thema der Pädagogik in satirischer Sicht auf. Allem idealistischen Erziehungsehrgeiz, aller Zucht stellte die Kunst des 16. und 17 Jahrhunderts immer wieder ein skeptisches Bild des Menschen entgegen, dessen unbelehrbare Dummheit und Triebhaftigkeit den Bemühungen der Lehrer, die selbst beschränkt und hilflos sind, enge Grenzen setzen. Molenaer, in dessen Frühwerk häufig der soziale Gegensatz von Bauer und Stadtbürger thematisiert wird, unterscheidet auch in dieser Schulstube von 1634 sorgfältig die Schichten. Während die Bürgerkinder im Hintergrund nach Jungen und Mädchen getrennt sind, ist dies bei den Bauernkindern im Vordergrund, deren betont bunte Kleidung für die Darstellung dieses Standes typisch ist, nicht der Fall. Schlechtes Benehmen und Unaufmerksamkeit zeigen sich abgestuft, am diszipliniertesten erscheinen die Bürgermädchen in einem abgetrennten Raumteil rechts, am wildesten, auch durch körperliche Bestrafung durch den ermattet wirkenden Lehrer kaum bezähmbar, die Bauernkinder. Einzigartig ist Molenaers "Schulstube" aber durch Kombination mit dem Gruppenporträt einer vielköpfigen Familie. Links führen gesittete Bürgersleute ihre wohlerzogenen, fein gekleideten Kinder hinein. Ein krasser Gegensatz tut sich auf, die Schulstube wird zum allegorischen Theater, zur "Schule des Lebens", das die kleinen Besucher über soziale Rollen aufklärt.
(B. Schnackenburg, 1999)


Literatur:
  • Thümmler, Sabine; Ottomeyer, Hans (Hrsg.): Geschenkt & Gekauft. Die Neuerwerbungen der Staatlichen Museen Kassel 1995 - 1999. 1999, S. 44 ff.
  • Laarman, Frauke K.: Het Noord-Nederlands familieportret in de eerste helft van de zeventiende eeuw. Beeldtraditie en betekenis. Amsterdam 2003, S. 119-120.
  • LWL-Museumsamt für Westfalen [Hrsg.]: Das erste Schuljahr-von Schultüten zum "Ernst des Lebens"?. Münster 2015, S. 104-105.
  • Aescht, Petra: uit de modder der onwetendheid. Schule und Unterricht in der niederländischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Bonn 2015, S. 114ff, 244, Kat.Nr. 110.
  • Schlag, Christina; Schäufele, Wolf-Friedrich; Otterbeck, Christoph: Bildungsereignis Reformation. Idee - Krisen - Wirkungen. Kat. Marburg. Weimar 2017.
  • Lange, Justus: Arbeit, Spott und Spiel - das Bild der Bauern in der niederländischen Kunst, in: Klasse Gesellschaft. Alltag im Blick niederländischer Meister. Mit Lars Eidinger und Stefan Marx, Ausst-Kat. Hamburger Kunsthalle, Berlin 2021, S. 36-47, S. 46.


Letzte Aktualisierung: 21.04.2022



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