Der Bildhauer Johann August Nahl d.Ä.



Der Bildhauer Johann August Nahl d.Ä.


Inventar Nr.: GK 668a (1875/1157)
Bezeichnung: Der Bildhauer Johann August Nahl d.Ä.
Künstler: Emanuel Handmann (1718 - 1781), Maler/in
Dargestellt: Johann August d. Ä. Nahl (1710 - 1781)
Datierung: 1755
Geogr. Bezug: Bern
Material / Technik: Leinwand, doubliert
Maße: 77,5 x 63,5 cm (Originalrand beschnitten) (Bildmaß)
98 x 87 x 7,5 cm (Objektmaß)
99,5 x 86,5 x 6,4 cm mit RSS (Rahmenmaß)
Provenienz:

erworben 1902/03 vom Buchhändler Vietor, Kassel

1854 Fabrikant Stück, Kassel

Beschriftungen:


Katalogtext:
Im Typus des Halbfigurenbildnisses, den Handmann zumeist verwendete, ist der Bildhauer Johann August Nahl d. Ä. vor freiem Himmel und einem Mauerwerk in Szene gesetzt. Den Kopf in leichtem Dreiviertelprofil nach links gedreht und den Blick nach oben gerichtet, stützt er sich auf einen überlebensgroßen Kopf aus Marmor. Seine Hände, die etwas unterhalb der Bildmitte angeordnet sind, umfassen kraftvoll den Hammer. Indem der steinerne Kopf mit der hervorspringenden Nase und den etwas grob wirkenden Gesichtszügen vom unteren Bildrand überschnitten wird, wirkt er besonders wuchtig und vermittelt etwas von der körperlichen Anstrengung des Bildhauers. Nahls Rock in changierendem Zitronengelb, das mit dem leuchtenden Blau des Himmels und dem gedämpften Braun des Mauerwerks kontrastiert, setzt ihn von seiner Umgebung ab. Wie für Künstler üblich, stehen die violettfarbenen Bänder am Rockkragen und an den Ärmeln lässig offen und lassen das weiße, leicht knittrige Hemd darunter hervorschauen.
Johann August Nahl d. Ä. (1710-1781) war nach Aufenthalten in der Schweiz und in Frankreich seit 1741 am Hof von Friedrich dem Großen tätig. Als Stuckateur und Kenner des »Style Rocaille« war er maßgeblich an der Ausstattung der königlichen Neubauten beteiligt und machte Stuckierungen für Schloss Charlottenburg und das Stadtschloss in Potsdam. 1746 verließ er Berlin, ging nach Straßburg und dann nach Bern. 1755 berief ihn Landgraf Wilhelm VIII. (1682-1760) nach Kassel und ernannte ihn zum ersten Hofbildhauer. Seit 1767 hatte Nahl eine Professur für Bildhauerei inne, zunächst am Collegium Carolinum, dann ab 1777 an der neu gegründeten Kunstakademie.
Mit der für Nahl gewählten Pose knüpfte Handmann an eine Tradition des Bildhauerporträts an, die im 16. Jahrhundert in Venedig entwickelt worden war und auch nördlich der Alpen, besonders durch die Vermittlung von van Dycks »Iconographie« wirkte. Auf diesen Bildnissen halten die Bildhauer Skulpturenfragmente in den Händen, zumeist nicht eigene Werke, sondern antike Plastiken. Auch Handmann hat mit dem Kopf weniger auf ein bestimmtes Werk von Nahl angespielt, als vielmehr auf die »Sculptura«, die Bildhauerkunst allgemein.
Das Porträt dürfte vor Nahls Umzug von Bern nach Kassel entstanden sein. Knackfuß (1908, S. 241) gibt an, dass es auf der Rückseite der Leinwand mit »1755« signiert war, dem Jahr, als Nahl in Yverdon tätig war. Die heutige Doublierung lässt die Bezeichnung nicht mehr erkennen. Nahl hatte Handmann, der seit 1746 in Bern lebte, bereits 1735 bei Johann Ulrich Schnetzler in Schaffhausen kennen gelernt. Später, im Jahr 1768, schickte er seinen Sohn Johann August d. J. in Handmanns Atelier nach Bern. Johann Heinrich Tischbein d. Ä. griff den vorliegenden Porträttypus in seinem knapp zwanzig Jahre später ausgeführten Freundschaftsbildnis auf und gab Nahl in ganz ähnlicher Körperhaltung wieder (Bern, Historisches Museum). In den Händen hält der Bildhauer dort die von ihm modellierte Büste Tischbeins.
Wilhelm Nahl, der Enkel des Dargestellten, hat das Porträt in einem Tagebucheintrag vom 25. Juni 1865 erwähnt und dessen damaligen Besitzer genannt: »Nach Tisch den Fabrikant Herrn Stück besucht [...]. Daselbst sehe ich das Portrait von Großvater von Handmann gemalt [...].«
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Thieme, U. [Hrsg.]; Becker, F. [Hrsg.]; Vollmer, H. [Hrsg.]: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 1907-1950, S. 584 (Bd. 15, 1922).
  • Knackfuß, Hermann: Geschichte der Königlichen Kunstakademie zu Kassel. Aus den Akten der Akademie zusammengestellt. Kassel 1908, S. 59, 241.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 33, Kat.Nr. 668a.
  • Thiersch, Hermann: Leonhard Eulers "verschollenes" Bildnis und sein Maler. In: Nachrichten der Gesellschaft für Wissenschaften zu Göttingen Philologisch-Historische Klasse 2 (1930), S. 215-217, S. 215-217.
  • Bleibaum, Friedrich: Johann August Nahl, der Künstler Friedrichs des Grossen und der Landgrafen von Hessen-Kassel. Baden bei Wien/Leipzig 1933, S. 17.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 69, Kat.Nr. 668a.
  • Fallet, Eduard M.: Der Bildhauer Johann August Nahl d. Ä. Seine Berner Jahre von 1746 bis 1755. Bern 1970, S. 90.
  • Raupp, Hans-Joachim: Untersuchung zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Hildesheim/Zürich/New York 1984, S. 81-83.
  • Heraeus, Stefanie; Tipton, Susanne: Künstlerbildnisse. Porträts von Tischbein bis Beuys. Malerei, Graphik und Skulptur aus eigenen Beständen. Kassel 1996, S. 33, Kat.Nr. 7.
  • Freivogel, Thomas: Emanuel Handmann (1718-1781). Ein Basler Porträtist im Bern des ausgehenden Rokoko. Bern 2002, S. 10,175.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 68-69, Kat.Nr. 48.
  • Mävers, Sophie-Luise: Reformimpuls und Reglungswut. Die Kasseler Kunstakademie im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Eine Studie zur Künstlerausbildung im nationalen und internationalen Vergleich. Darmstadt/Marburg 2020.


Letzte Aktualisierung: 19.03.2024



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