Juliane Fürstin zu Schaumburg-Lippe



Juliane Fürstin zu Schaumburg-Lippe


Inventar Nr.: 1875/752 a
Bezeichnung: Juliane Fürstin zu Schaumburg-Lippe
Künstler: Johann Heinrich d. Ä. Tischbein (1722 - 1789), Maler/in
Dargestellt: Juliane Gräfin von Schaumburg-Lippe (1761 - 1799)
Datierung: 1781
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Leinwand
Maße: 262 x 139 cm (Bildmaß)
Provenienz:

wahrscheinlich erworben 1938/39 aus Schloss Philippsthal oder Barchfeld

Beschriftungen: Signatur: bez. Mitte l. (am Spinett): J. H. Tischbein pinx. 1781.


Katalogtext:
Das repräsentative, ganzfigurige Bildnis der Juliane zu Schaumburg-Lippe (1761-1799) in Lebensgröße führt die junge Fürstin als Liebhaberin der Musik vor. In einem Innenraum vor einem Klavier stützt sie sich auf die Lehne eines Armlehnsessels und hält ein Notenheft in der rechten Hand. Sie posiert in einem eleganten Galakleid aus grüner Seide mit rosafarbener Miederschleife und gleichfarbiger Schärpe. Ebenso wie die Robe entspricht auch die hochtoupierte Frisur mit dem reichen Kopfschmuck aus Kunstblumen und Seidenschleier und den einzelnen, auf die Schultern fallenden Locken dem französischen höfischen Stil des Ancien Régime. Bei der mit Pilastern und Stuckreliefs verzierten Wandnische und der Draperie griff Tischbein d. Ä. auf konventionelle Requisiten fürstlicher Repräsentationsporträts zurück. Das Bildnis wird – wie viele Gemälde Tischbeins im Spätwerk der 1780er Jahre – von einer gedämpften warmen Farbskala aus Braunrottönen bestimmt, denen komplementär ein kräftiges Grün entgegengesetzt ist.
Die im niederländischen Zutphen geborene Juliane Wilhelmine Louise zu Schaumburg-Lippe war die Tochter des Landgrafen Wilhelm von Hessen-Philippsthal und eine Kusine Wilhelms IX. von Hessen-Kassel. 1780 heiratete sie den fürstbischöflichen-münsterschen General Philipp Ernst Graf zu Schaumburg-Lippe-Alverdissen (1723-1787) und folgte ihm in die Residenzstadt Bückeburg. Nach dessen Tod im Februar 1787 übernahm sie die Regierung und verteidigte die Grafschaft Schaumburg-Lippe erfolgreich gegen ihren Vetter Wilhelm IX., der nach dem Tod des Landesherrn die Grafschaft besetzte, um sie als heimgefallenes Lehen einzuziehen.
Die Fürstin trat wiederholt bei öffentlichen Konzerten als Sängerin oder am Klavier auf und begleitete das Orchester der Bückeburger Hofkapelle, die Johann Christoph Friedrich Bach leitete, der jüngste Sohn des Leipziger Thomaskantors. Er widmete Juliane zahlreiche Kompositionen. Das auf dem Klavier aufgeschlagene Stück »l'absence« ist rekonstruierbar und in der Art eines Charakter- oder Genrestückes im Stil von Bach komponiert. In Bachs – allerdings nicht vollständigem – Werkverzeichnis taucht es nicht auf. Nachweisen lässt sich hingegen das Notenheft in Julianes Hand mit der Aufschrift: »Sechs/Kanzonetten von Metastasio/gewidmet/dem illustren Herrn/Thos Panton Esqr/Musik von Peretti/Julien H. (Sei/Canzonette del Metastasio/dedicate/Al Illmo Sigor/Thos Panton Esqr/ Musica/ Peretti/ Julien H.)«. Pietro Metastasio (1698-1782) war seit 1730 kaiserlicher Hofdichter in Wien, seine Kanzonetten und Liebesgedichte im Stil der arkadischen Rokokolyrik wurden von vielen Komponisten des 18. Jahrhunderts vertont. Nicolo Peretti war Sänger, Komponist und Direktor einer Operntruppe und trat zwischen 1755 und 1775 in Lübeck und Schwerin auf. Perettis »Sechs Kanzonetten« lassen sich in einer Ausgabe von 1782 bei Johann Julius Hummel in Amsterdam nachweisen, so dass mit »Julien H.« der Verleger gemeint sein wird (Stefan Franke, Brief vom 15.6.2001).
Eine zweite Fassung des Gemäldes, die in einzelnen Details – beim Gesichtsausdruck, Kopfschmuck und Bildausschnitt sowie in den Maßen – leicht abweicht, befindet sich im Besitz des Fürstenhauses Schaumburg-Lippe in Bückeburg.
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Jahrhundertausstellung deutscher Kunst 1650-1800. Darmstadt 1914, Kat.Nr. 681.
  • Knetsch, Carl: Das Haus Brabant.Genealogie der Herzöge von Brabant und der Landgrafen von Hessen. Darmstadt 1928, S. 221, Kat.Nr. 37.
  • Eitner, Robert: Biographisch-bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten [...]. 2. Aufl. Graz 1959-1960, S. 363 (Bd. 7).
  • Schaer: Praktizierte die "freie Humanität". Fürstin Juliane zu Schaumburg Lippe. In: Die Esche. Eine Zeitschrift zur Freunde des Hauses Neschen (1966), S.
  • Flohr, Anna-Charlotte: Johann Heinrich Tischbein d.Ä. (1722-1789) als Porträtmaler mit einem kritischen Werkverzeichnis. München 1997, S. 198, Kat.Nr. G 66.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 298-299, Kat.Nr. 254.
  • Lange, Justus; Gräf, Holger Th.; Rehm, Stefanie: Patrimonia 391, Johann Heinrich Tischbein d. Ä., Bildnis des Louis Gaucher, Duc de Châtillon, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel. Kassel 2018, S. 7.


Letzte Aktualisierung: 29.10.2020



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