|<<   <<<<   3 / 3   >>>>   >>|

Bildnis eines Herrn in ganzer Figur



Bildnis eines Herrn in ganzer Figur


Inventar Nr.: GK 998
Bezeichnung: Bildnis eines Herrn in ganzer Figur
Künstler: Gerard Ter Borch (1617 - 1681), Maler/in
Dargestellt: unbekannt
Datierung: 1675 - 1681
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Leinwand
Maße: 66 x 50 cm (Bildmaß)
Provenienz:

erworben 1964 im Londoner Kunsthandel (Alfred Brod)


Katalogtext:
Vor neutralem Grund ist ein eleganter Herr in ganzer Figur dargestellt. Diagonal im Raum stehend ist sein Blick bildauswärts gerichtet, der kühl und distanziert den Betrachter trifft. Ein flacher weißer Aufsatzkragen bedeckt den Halsausschnitt seines schwarzen, mit grauen Manschetten besetzten Wamses. Schwarz sind ebenfalls die weit geschnittenen Hosen, der um die Schultern gelegte Mantel und die mit einer Silberschnalle verzierten Schuhe.
Die Figur setzt sich gegen einen grau-braunen Hintergrund ab, die umgebende Räumlichkeit wird nur durch einen horizontalen Schatten in der unteren Bildhälfte angedeutet. Die sparsame und fein abgestufte Farbigkeit erzeugt den Eindruck eines diffusen Dämmerlichts, das zur elegant-repräsentativen Wirkung des Bildnisses beiträgt. Die Identität des Herrn lässt sich nicht mehr feststellen, ebenso wenig ist bekannt, ob zu dem Stück ein weibliches Pendant existierte.

Das Gemälde schuf Gerard Ter Borch, der neben Porträts insbesondere auch für seine eleganten Genrestücke bekannt ist, von denen die Kasseler Gemäldegalerie zwei Stück besitzt (GK 289 und GK 288). Das Bildnis steht in der Tradition der Haarlemer Malerei und folgt dem Vorbild Hendrik Gerritsz. Pot (ca. 1580 – 1657), in dessen Werk ähnliche kleinformatige Ganzfigurenporträts zu finden sind, die das Kolorit und die wiedergegebene Haltung der Figur vorwegnehmen. Die elegante Fußstellung erinnert an zeitgenössische Tanzdarstellungen (Schnackenburg 1996, S. 65), wie sie zum Beispiel bei dem flämischen Künstler Hieronymus Janssens (1624 – 1693) zu sehen sind und unterstreicht das preziöse Auftreten des vornehmen Herrn. Aufgrund der modischen Details lässt sich das Werk etwa in die Zeit um 1675/80 einordnen, als die mit Spangen verzierten Schuhe in Mode kamen (Ausst. Kat. Münster 1974, S. 198). Der Vermutung, dass hier aufgrund der Physiognomie ein Südländer dargestellt sei, ist zu widersprechen. Weder das Aussehen noch die Frisur lassen auf die Herkunft des Herrn schließen. Die Haartracht ist typisch für die Zeit und zeigt sich vergleichbar auf zahlreichen holländischen Porträts. Wesentlich seltener ist der hier gezeigte Kragen, der vor allem von Magistratsmitgliedern getragen wurde und daher möglicherweise auf den Beruf des dargestellten Herrn schließen lässt. Hierfür bietet das Gruppenporträt des Magistrats von Deventer, welches Ter Borch 1667 gemalt hat, einen wichtigen Bezugspunkt (Gudlaugsson 1960, Abb. 205).

In der selbstbewussten Zurschaustellung des Dargestellten spiegelt sich ein Repräsentationsbedürfnis, welches trotz des relativ kleinen Formats und des schlichten Aufbaus vermittelt wird. Dies zeigt sich auch im Bildnis eines jungen Kavaliers von Domenichino aus Darmstadt (GK 104), wo jedoch der Bildhintergrund zu einem Landschaftsausblick geöffnet ist.
(T. Trümper, 2011)


Literatur:
  • Gudlaugsson, Sturla J.: Gerard Ter Borch. Den Haag 1959-1960, S. 166 (Bd. 1/1959), Kat.Nr. 290 (Bd. 2/1960).
  • Herzog, Erich: Holländische Meister des 17. Jahrhunderts aus den Betänden der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel (Jahresausgabe der Hessischen Brandversicherungsanstalt für 1965). Kassel 1965, S. Vorwort o. S.
  • Bott, Gerhard; Gronau, Georg; Herzog, Erich; Weiler, Clemens: Meisterwerke hessischer Museen. Die Gemäldegalerien in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden. Hanau 1967, S. 151.
  • Herzog, Erich; Lehmann, Jürgen M.: Unbekannte Schätze der Kasseler Gemälde-Galerie. Kassel 1968, S. 87.
  • Herzog, Erich: Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Geschichte der Galerie von Georg Gronau und Erich Herzog. Hanau 1969, S. 63.
  • Gronau, Georg; Herzog, Erich: Gemälde Galerie Kassel. Kassel 1969, S. 63.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 65.
  • Lange, Justus u. a.: Dialoge. Barocke Meisterwerke aus Darmstadt zu Gast in Kassel. Petersberg 2011, S. 90, Kat.Nr. 25.


Letzte Aktualisierung: 05.12.2022



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum