|<<   <<<<   3 / 11   >>>>   >>|

Kleiner Flügelaltar mit der Auferstehung Christi (Mitteltafel), der Hl. Barbara (l. Flügel, Innens.) und der Hl. Katharina (r. Flügel, Innens.)



Kleiner Flügelaltar mit der Auferstehung Christi (Mitteltafel), der Hl. Barbara (l. Flügel, Innens.) und der Hl. Katharina (r. Flügel, Innens.)


Inventar Nr.: GK 11
Bezeichnung: Kleiner Flügelaltar mit der Auferstehung Christi (Mitteltafel), der Hl. Barbara (l. Flügel, Innens.) und der Hl. Katharina (r. Flügel, Innens.)
Künstler: Lucas d. Ä. Cranach (1472 - 1553), Maler/in
Datierung: Anfang 16. Jh.
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Öl
Maße: Mitteltafel 38 x 25,8 cm (Bildmaß)
Flügel 39 x 9,9 cm (Bildmaß)
76 x 97,2 x 17,3 cm mit Rahmen (Objektmaß)
Provenienz:

erworben 1905 als Geschenk von Dr. Ludwig Mond


Katalogtext:
Die Mitteltafel zeigt den auferstandenen Christus als jugendlich-makellose Figur in frontaler Stellung. Links sieht man das versiegelte Felsengrab, vor dem ein schlafender Soldat kauert. Rechts lagern ebenso zwei schlafende Soldaten sowie im Vordergrund ein weiterer, der mit erschrocken geöffneten Augen Christus anstarrt und wie zur Abwehr seinen Schwertknauf umfasst. Hinter den Soldaten öffnet sich rechts der Blick auf eine weite Landschaft, mit den drei Marien als miniaturhafte Figürchen im Mittelgrund. Auf den Seitentafeln sind die Hl. Barbara (links) und die Hl. Katharina (rechts) als Ganzfiguren dargestellt. Sie gehören zu den 14 Nothelfern und wurden von den Gläubigen bei Krankheit und in der Stunde des Todes angerufen. Thematisch verweist also Mitteltafel wie Seitenflügel auf die Todeserwartung und die damit verbundene Hoffnung auf Auferstehung. Die Anordnung der beiden weiblichen Heiligen Barbara (rechts) und Katharina (links) ist ungewöhnlich, da sie sonst bei Cranach eher andersherum erfolgt (vgl. GK 12 und 13). Darin mag sich ein dezidierter Auftraggeberwunsch verbergen.

Wer den Altar bei Lucas Cranach bestellt hat, ist bislang nicht geklärt. Sicher sind dagegen Adressaten sowie die zeitliche Anordnung im Œuvre Cranachs. Auf den Rückseiten der beiden Flügel sind die Wappen Landgraf Wilhelms II. von Hessen (links) und seiner Frau Anna von Mecklenburg (rechts) aufgemalt, so dass eine Entstehung mit einiger Sicherheit für den Zeitraum 1508-10 angenommen werden kann. Seit jeher hat man den Klappaltar mit der Krankheit und dem frühen Tod von Landgraf Wilhelm in Verbindung gebracht. Dieser erkrankte 1506 an der Syphilis, an deren Folgen er am 11. Juli 1509 verstarb. Stilistische Gründe, insbesondere die Inspiration durch niederländische Kunstwerke, weisen zudem auf eine Entstehung nach Cranachs Reise in die Niederlande 1508. Das Kasseler Klappaltärchen ist damit der erste belegbare Auftrag des Wittenberger Hofmalers für einen anderen Hof und Ausdruck der tiefen Verbundenheit beider erbverbrüderter Häuser zu Beginn des 16. Jahrhunderts.

Die Figur Christi belegt in ihrer Gestaltung die Auseinandersetzung mit Werken von Jacopo de‘ Barbari, der von 1503 bis 1505 Cranachs Vorgänger im Amt als Hofmaler in Wittenberg war, insbesondere der um 1503/04 entstandene Kupferstich mit dem auferstandenen Christus ist hier zu nennen. Im Unterschied zu de‘ Barbari wirkt die Figur etwas gedrungener und die Triumphfahne wird näher an den Körper geführt. Wie die Infrarotreflektographie belegt, orientierte sich Cranach in Aussehen und Position des Stabes zunächst mehr an de Barbari. Später entschied er sich, den gläsernen Stab mit Ringwulsten zu versehen und dichter an Christus heranzuführen. Eine Zwischenstufe mag in der Zeichnung in Erlangen überliefert sein, die im Kontext des Wittenberger Heiltumsbuches für Friedrich den Weisen entstand.

Diese Beobachtungen zeigen, wie eng Cranachs Klappaltar für Kassel mit seinem Wirken für Friedrich den Weisen in Wittenberg zusammenhängt, so dass zu fragen ist, ob es sich bei dem Werk nicht um ein Geschenk des Kurfürsten an den mit ihm befreundeten, schwer erkrankten Landgrafen Wilhelm II. handeln könnte, das Trost und Auferstehungsgewissheit spenden sollte. Denkbar wäre zwar auch ein Geschenk des Wittenberger Hofes an Wilhelms Witwe Anna von Mecklenburg. Bedenkt man jedoch die Auseinandersetzungen unmittelbar nach dem Tod Wilhelms um die Frage der Vormundschaft über den erst fünfjährigen Philipp zwischen Friedrich dem Weisen und Landgräfin Anna, so scheint dies nicht sehr wahrscheinlich. Ebenso wenig möchte man an einen Auftrag des hessischen Hofes denken, da Wilhelm seit Ausbruch der Krankheit in weitgehender Isolation lebte. Zudem ist das hessische Wappen spiegelverkehrt dargestellt. Die Schwierigkeit der korrekten Wiedergabe zeigt sich auch bei dem Wappen Landgraf Philipps aus der Zeit um 1546, das im Kontext des Schmalkaldischen Krieges entstand und wohl von Kurfürst Johann Friedrich beauftragt worden war..

Den bei Friedländer/Rosenberg 1932 geäußerten leisen Zweifeln an der Eigenhändigkeit der Ausführung des Kasseler Klappaltars trat Dieter Koepplin bereits 1967 entgegen: „Es ist in jedem Quadratzentimeter eigenhändig und von höchstem künstlerischen und kunstgeschichtlichem Interesse.“
(J. Lange, 2015)


Literatur:
  • Swarzenski, Georg: Cranachs Altarbild von 1509 im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 2 (1907), S. 49-65, S. 50 Anm. 1.
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 15, Kat.Nr. 11.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 18, Kat.Nr. 11.
  • Friedländer, Max J. (Hrsg.); Rosenberg, Jakob (Hrsg.): Die Gemälde von Lucas Cranach. Berlin 1932, S. 31, Kat.Nr. 17.
  • Luthmer, Kurt: Staatliche Gemäldegalerie zu Kassel. Kurzes Verzeichnis der Gemälde. 34. Aufl. Kassel 1934, S. 6, Kat.Nr. 11.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 47, Kat.Nr. 11.
  • Bott, Gerhard; Gronau, Georg; Herzog, Erich; Weiler, Clemens: Meisterwerke hessischer Museen. Die Gemäldegalerien in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden. Hanau 1967, S. 99, 147-148.
  • Herzog, Erich: Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Geschichte der Galerie von Georg Gronau und Erich Herzog. Hanau 1969, S. 11, 59-60.
  • Koepplin, Dieter; Falk, Tilman: Lukas Cranach. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik. Kunstmuseum Basel. Ausstellung 15.6.1974 - 8.11.1974. 2 Bde. Basel/Stuttgart 1974/76, S. 409, 452-453, 683, Kat.Nr. 294.
  • Lehmann, Jürgen M.; Verein der Freunde der Kasseler Kunstsammlungen, Kassel e. V. (Hrsg.): Gemäldegalerie Alte Meister. Schloß Wilhelmstal. Bildheft mit 100 Meisterwerken. Kassel 1975.
  • Friedländer, Max J.; Rosenberg, Jakob: Die Gemälde von Lucas Cranach. 2. Aufl. Basel/Boston/Stuttgart 1979, S. 70, Kat.Nr. 17.
  • Adler, Wolfgang; Herzog, Erich; Lahusen, Friedrich; Lehmann, Jürgen M.: Gemäldegalerie Alte Meister Schloß Wilhelmshöhe. Braunschweig 1981, S. 10, 16, 19-20.
  • Schneckenburger-Broschek, Anja: Die altdeutsche Malerei. Kassel, Staatliche Kunstsammlungen Kassel 1982, S. 9, 12, 15, 61-62.
  • Beisheim, Johannes; Ketelsen, Thomas: Bibelbilder (mit Erläuterungen zu Werken der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister von T. Ketelsen). Kassel 1992, Kat.Nr. 28.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 87.
  • Schneckenburger-Broschek, Anja: Altdeutsche Malerei. Die Tafelbilder und Altäre des 14. bis 16. Jahrhunderts in der Gemäldegalerie Alte Meister und im Hessischen Landesmuseum Kassel. Kassel, Staatliche Kunstsammlungen Kassel 1997, S. 53-58.
  • Carrasco, Julia [Redaktion,Lektorat]; Lange, Justus [Redaktion, Lektorat]: Bild und Botschaft. Cranach im Dienst von Hof und Reformation. Ausstellung Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Herzogliches Museum, 29.3-19.7.2015 / Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Schloss Wilhelmshöhe 21.8.-29.11.2015. Heidelberg 2015, S. 31-32, 98-99.
  • Heydenreich, Gunnar; Görres, Daniel; Wismer, Beat: Lucas Cranach der Ältere. Meister Marke Moderne. Museum Kunstpalast Düsseldorf. München 2017, S. 120, Kat.Nr. 23.


Letzte Aktualisierung: 11.01.2022



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum