Der Käseladen



Der Käseladen


Inventar Nr.: GK 310
Bezeichnung: Der Käseladen
Künstler: Willem van Mieris (1662 - 1747), Maler/in
Datierung: 1705
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Öl
Maße: 37 x 29,8 cm (Bildmaß)
Provenienz:

erworben 1750 durch Wilhelm VIII. mit dem Kabinett des Valerius Röver, Delft, der es 1724 vom Künstler gekauft hatte.


Katalogtext:
Willem van Mieris ist bei seinem Vater ausgebildet worden und wie dieser Vertreter der Leidener Feinmalerei. Sein Vater, Frans van Mieris d. Ä. (1635–
1681), war Lehrling bei Gerard Dou (1613–1675), der als Begründer dieser Richtung der Malerei gilt. Diese Art der Malerei löscht Herstellungsspuren
(den sichtbaren Pinselstrich) nahezu komplett aus, ein unvergleichlich glatter Duktus ist Kennzeichen dieser Darstellungsweise, was nach Gottfried Boehm auch „Könnerschaft im Trompe-l’OEil“ bedeuten könnte (Boehm 2010, S. 24).. Um Könnerschaft geht es auch in der Schilderung des Puttenreliefs unter der Darstellung eines Käseladens: Im Fensterausschnitt sind links eine junge Frau, die sich auf ihren mit Kerzen gefüllten Marktkorb stützt, und rechts eine alte Frau beim
Abwiegen von Käse sowie im Hintergrund Regale mit gestapelten Käselaiben zu sehen. Das bekannte Motiv des auf den Bildhauer François Duquesnoy
(1597–1643) zurückgehenden Puttenreliefs bleibt Standardmotiv, wird hier aber von van Mieris variiert. Überhaupt ist er derjenige Künstler, der das Relief in der Nachfolge von Gerard Dou (1613–1675) besonders häufig darstellt – im Gegensatz zu seinem Vater, bei dem es sich gar nicht findet –, es darüber hinaus auf vielfältige Weise kombiniert und abwandelt, mithin sehr viel variantenreicher gestaltet als andere Dou-Nachfolger. Der Ziegenbock ist entfallen, dargestellt sind lediglich musizierende und trinkende Putten. Man darf das Relief vielleicht als Paraphrase der Duquesnoyschen Reliefs werten. Van Mieris kannte sicherlich den Zweck des Einsatzes des Reliefs im Sinne des Paragone und setzte es in eben dieser Weise ein. Die gelungene
stofuitdrukking (Stofflichkeit) des Steins bildet dabei gleichzeitig das Motiv des Trompe-l’OEil in diesem Gemälde. Eingehend mit der These des Fensterbilds als Trompe- l’OEil beschäftigt hat sich Ute Kleinmann, die
feststellt, dass dessen Deutung als reine Augentäuschung unzureichend ist (Kleinmann 1996, S. 109–116). Die zeitgenössischen Betrachter wurden aus verschiedenen Gründen von derartigen Gemälden nicht getäuscht, waren aber von einem die Realität nachahmenden Gemälde möglicherweise weitaus faszinierter als ein heutiger Betrachter es wäre. Für den Trompe-l’OEil- Charakter wiederum spräche die optische Verbundenheit des Rahmenmotivs mit der realen Wand. Darüber hinaus führt Kleinmann folgendes Zitat von Schmoll gen. Eisenwerth ins Feld: „Innerhalb einer gemalten Fassade bildet ein Fenster mit Halbfiguren jeweils auch eine Art ‚Tafelbild‘, ein Bild in einem architektonischen Rahmen. Den Illusionscharakter teilt es sich mit dem tatsächlichen Tafelbild, das sich in der Fensterrahmung als Wirklichkeitsbezug bedient.“ Gewissermaßen hat damit das Relief en grisaille, das die farbige Darstellung unterstreicht, sogar die Funktion, deren Dominanz zu erhöhen. Mit Hilfe des Rahmenmotivs wird dabei dennoch versucht, Bild- und Betrachterrealität einander anzunähern.
Bei Sammlern waren die Fensterbilder mit Darstellungen der Reliefs des flämischen Bildhauers bereits im 17. und 18. Jahrhundert beliebt. Für ein Gemälde des Meisters Gerard Dou konnte man gut und gerne 600 bis 1000 Gulden zahlen. Der Käseladen brachte Willem van Mieris, als er sich im Jahr
1724 davon trennte, inklusive des Rahmens die stattliche Summe von 380 Gulden ein.
(I. Beckmann, 2015)


Inventare:
  • Catalogue des Tablaux. Kassel 1749, S. 55, Nr. 589.
Literatur:
  • Causid, Simon: Verzeichnis der Hochfürstlich-Heßischen Gemälde-Sammlung in Cassel. Kassel 1783, S. 70, Kat.Nr. 115.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Versuch eines Verzeichnisses der kurfürstlich hessischen Gemälde-Sammlung. Kassel 1819, S. 99, Kat.Nr. 605.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Verzeichniß der Kurfürstlichen Gemählde-Sammlung. Cassel 1830, S. 118, Kat.Nr. 706.
  • Auszug aus dem Verzeichnisse der Kurfürstlichen Gemälde-Sammlung. Kassel 1845, S. 71, Kat.Nr. 706.
  • Eisenmann, Oscar: Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. Nachtrag von C. A. von Drach. Kassel 1888, S. XLIV Anm. 35), 187, Kat.Nr. 283.
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 41, Kat.Nr. 310.
  • Moes, E. W.: Het Kunstkabinet van Valerius Röver te Delft. In: Oud Holland 30 (1913), S. 4-24, S. 21, Kat.Nr. 75.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 48, Kat.Nr. 310.
  • Luthmer, Kurt: Staatliche Gemäldegalerie zu Kassel. Kurzes Verzeichnis der Gemälde. 34. Aufl. Kassel 1934, S. 28, Kat.Nr. 310.
  • Voigt, Franz: Die Gemäldegalerie Kassel. Führer durch die Kasseler Galerie. Kassel 1938, S. 61, Kat.Nr. 310.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 94, Kat.Nr. 310.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 184.
  • Savoy, Bénédicte: Patrimoine annexé: Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800. Paris 2003, S. 212, Kat.Nr. 474.
  • Lange, Justus; Carrasco, Julia: Kunst und Illusion. Das Spiel mit dem Betrachter. Petersberg 2016, S. 104, Kat.Nr. 32.
  • Rehm, Stefanie: Die Rekonstruktion eines spektakulären Ankaufs im Jahr 1750. Landgraf Wilhelm VIII. und die Sammlung Röver aus Delft. In: Museumslandschaft Hessen Kassel. Jahrbuch 2016 (2018), S. 216-225.


Letzte Aktualisierung: 25.06.2020



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum