Sitzender Mann mit Pelzumhang



Sitzender Mann mit Pelzumhang


Inventar Nr.: GK 253
Bezeichnung: Sitzender Mann mit Pelzumhang
Künstler: Samuel van Hoogstraten (1627 - 1678), Maler/in, Kopie nach
Dargestellt: unbekannt
Datierung:
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Leinwand
Maße: 122 x 96 cm (Bildmaß)
145 x 120 x 8 cm (Objektmaß)
Provenienz:

erworben vor 1749 durch Wilhelm VIII.


Katalogtext:
Mit Blick auf den Betrachter sitzt ein bärtiger Mann vor uns, der mit der rechten Hand einen Stock hält, auf dessen Ende seine linke ruht. Pelz bedeckt den Stuhl und teilweise auch die dunkle Kleidung des Mannes, die mit kleinen Schlitzen durchsetzt ist, aus denen ein rotes Futter hervorblitzt. Die Pelzmütze auf seinem Kopf war sicher der Grund, warum das Kasseler Inventar von 1775 die Kleidung als „Winter-Tracht“ bezeichnete. Diese Kennzeichnung übernehmen die Galeriekataloge von 1783 bis 1845; noch Hofstede de Groot führt das Bild 1915 mit diesem Titel auf.
Der Kasseler Katalog von 1882 vermeldet zum ersten Mal, daß dieses Gemälde eine Kopie nach dem Original in der National Gallery in London sei, was Oscar Eisenmann im Katalog von 1888 noch weiter ergänzt: Auch jenes Londoner Bild sei eine – wenn auch sehr gute alte – Kopie eines Originals, das in der Eremitage zu St. Petersburg unter Nr. 342 verwahrt würde. Es sei 1645 datiert und würde fälschlich ein Bildnis des Manasseh ben Israel genannt werden. Handschriftlich trägt Eisenmann auch in seinen Katalog der Londoner National Gallery von 1889 die Information ein, das dieses wie das Kasseler Stück Kopien nach dem Original in St. Petersburg seien. Seine Information beruhte aber auf einem Irrtum, denn das Gemälde der Eremitage, mittlerweile in der Sammlung Calouste Gulbenkian, zeigt zwar ebenfalls einen sitzenden alten Mann mit Stock, aber nach links gewandt, mit anderer Haltung und anderer Kleidung. Allerdings ist mit diesem Bild eine motivische Quelle für das Londoner bzw. Kasseler Gemälde genannt.
Die Londoner Fassung galt lange als originales Werk Rembrandts, entstanden um 1650, bis sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Zweifel an dieser Autorschaft mehrten. Neil McLaren bezeichnete es in seinem Londoner Katalog 1960 dann als Werk aus der Schule Rembrandts von etwa 1648/1650, Otto Benesch folgte ihm und erkannte darin dieselbe Hand wie im Dresdener Gemälde „Manoahs Opfer“. Schon 1966 hatte Werner Sumowski eine Zuschreibung an Samuel van Hoogstraeten vorgeschlagen, die er 1984 bekräftigte. Er verwies auf weitere Gemälde Hoogstraetens mit diesem geschlitzten „venezianischen“ Kostüm und datierte das Bild in das Ende der vierziger Jahre. Die Autoren des Londoner Katalog von 1995 schlossen sich dieser – meines Erachtens zutreffenden – Zuschreibung nicht an; aufgeführt wird es dort als Werk eines Nachfolgers Rembrandts, der schon im späten siebzehnten, frühen 18. Jahrhundert gearbeitet haben könnte.
Die Unsicherheit gegenüber dem Londoner Gemälde zeigt deutlich, wieviel vorsichtiger heute mit Zuschreibungen an Rembrandt verfahren wird – nicht nur die Schüler, sondern auch spätere Nachahmer werden in Betracht gezogen. Tatsächlich lassen sich Maler benennen, die bis in das achtzehnte Jahrhundert hin noch in direkter Folge auf Rembrandts Werk zurückgreifen wie Daniel de Koninck, dessen letztes bekanntes Werk aus dem Jahr 1720 stammt. Hiervon unterscheiden sich deutlich die späteren Maler wie Christian Wilhelm Ernst Dietrich oder Johann Georg Trautmann, die mit retrospektivem Blick gleichsam ein neues „Rembrandt-Bild“ produzieren. Kopisten des neunzehnten Jahrhunderts dagegen haben häufig die maltechnischen Voraussetzungen verloren, um neben der Wiedergabe des Motivs auch die Textur der Farbe Rembrandts nachahmen zu können.
Die Malweise des Gemälde der Londoner National Gallery ist wesentlich kräftiger in der Modellierung, schärfer in den Details und stärker in den Lichtkontrasten als die der Kasseler Fassung. So fallen hier die Musterung des Gewandes und die rot gefütterten Schlitze wesentlich weniger auf. Auch im Pelz, der in London mit breitem Pinsel und steifer Farbe angegeben ist, zeigt sich die gleiche Verhaltenheit. Die Qualitäten der Kasseler Version liegen in der weicheren Malweise, dem milderen Zusammenklang der Farben, der Licht- und Dunkelwerte. Sicher handelt es sich um eine Kopie nach dem Londoner (oder einem anderen gleichen) Gemälde, da sie auch weniger Details zeigt. So fehlt der Kasseler Fassung die Bauchbinde mit den metallisch glänzenden Ornamenten des Londoner Alten.
Stilistisch erinnert das vorliegende Bild an das Gemälde Büste eines Greises mit zwei goldenen Ketten (GK 231) in Kassel, das ebenfalls als spätere Kopie eines älteren Vorbild aus der Rembrandt-Nachfolge anzusprechen ist.

In der Galerie Wilhelms VIII. diente das Gemälde Sitzender Mann mit Pelzumhang und Stock als „Gegenstück“ zum Bild Der Apostel Thomas von Nicolaes Maes, das damals ebenfalls Rembrandt zugeschrieben war (GK 246). Die Verkleinerung der Bildmaße des Mannes mit Pelzumhang und Stock kann in dem Bemühen gesehen werden, die Bildformate mehr aneinander anzugleichen. Doch auch motivisch erscheint die Kombination sinnvoll: Während die militärischen Einzelfiguren Mann im Harnisch (GK 245) und Der Fahnenträger (GK 251) einander zugeordnet waren, ergab sich hier die Kombination von jeweils sitzenden älteren Männern, die in nachdenklichen Posen gezeigt werden. Auch die Soldaten des anderen Paares sind nicht aktiv, sondern ebenfalls eher ruhend, ja sinnierend dargestellt, so daß sich insgesamt die Vorstellung von Rembrandts Kunst als Malerei introvertierter Einzelfiguren in historischer Gewandung ergeben konnte.
(B. Schnackenburg, 1996)


Inventare:
  • Catalogue des Tablaux. Kassel 1749, S. 31, Nr. 301.
Literatur:
  • Causid, Simon: Verzeichnis der Hochfürstlich-Heßischen Gemälde-Sammlung in Cassel. Kassel 1783, S. 9, Kat.Nr. 27.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Versuch eines Verzeichnisses der kurfürstlich hessischen Gemälde-Sammlung. Kassel 1819, S. 50-51, Kat.Nr. 306.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Verzeichniß der Kurfürstlichen Gemählde-Sammlung. Cassel 1830, S. 58, Kat.Nr. 351.
  • Auszug aus dem Verzeichnisse der Kurfürstlichen Gemälde-Sammlung. Kassel 1845, S. 38, Kat.Nr. 352.
  • Aubel, L.; Eisenmann, Oscar: Verzeichniß der in der Neuen Gemälde-Galerie zu Cassel befindlichen Bilder. 2. Aufl. Kassel 1878, S. 33, Kat.Nr. 352.
  • Eisenmann, Oscar: Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. Nachtrag von C. A. von Drach. Kassel 1888, S. 154, Kat.Nr. 231.
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 54, Kat.Nr. 253.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 64, Kat.Nr. 253.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 247-248.
  • Weber, Gregor J. M. u. a.: Rembrandt-Bilder. Die historische Sammlung der Kasseler Gemäldegalerie. Ausstellungskatalog Staatliche Museen Kassel. München 2006, S. 117-120, Kat.Nr. 10.
  • Weber, Gregor J. M.: Rembrandt in Kassel. The Relativity of Eighteenth-Century Connoisseurship. In: Appreciation the Traces of an Artist's Hand, Kyoto Studies in Art History, Bd. 2 (2017), S. 73-82, S. 75.


Letzte Aktualisierung: 19.09.2023



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